Mittwoch, 22. September 2010

Böse Worte oder das Gezeter mit dem Pflaster

Ich habe Herpes.

Ich schreibe hier nicht von einer kleinen, brennenden Blase, nein. Das wäre ja kein Problem. Herpespflaster drüber, Lippenstift drauf und gut.
Das mit dem Pflaster ist aber schwierig wenn der Herpes so groß wie Amerika ist und stetig wächst...
Scheiße! Echt wahr.
Aber warum? Läuft doch alles so gut. So perfekt. Vom neuen Liebesglück berauscht lebe ich den Tag, die Momente und mein schönes Leben.

Eine sehr liebe Freundin sah mich und meinte nur: "Ha! Da müssen böse Worte raus."
Blödsinn, dachte ich im ersten Moment.
Im zweiten war ich mir da aber schon gar nicht mehr so sicher...

Diese bösen Worte haben nichts mit meinem aktuellen, großen Glück zu tun. Oder vielleicht doch? Lässt mich dieses wunderbare Glück nicht sehen wie unglücklich die Vergangenheit war? Wie kalt und stumm? Und wie kalt und stumm auch ich zu mir war?
Wenn ich vielleicht mal öfter mit mir selbst gesprochen hätte, wäre mir viel Schmerz erspart geblieben? Ja klar, danach ist m(M)an(n) oder Frau immer schlauer.
Und jetzt?
Jetzt geht es mir gut. Richtig gut. Eigentlich bin ich sogar glücklich. Nicht nur eigentlich. Ich bin glücklich. UAAAAAA! Das auszusprechen oder auszuschreiben macht mir Angst. Große Angst. Und setzt mich unter Druck.
Was setzt mich unter Druck? Das Gefühl? Die Erwartung? Welche Erwartung?
Definitiv meine eigene.
Der andere hat keine Erwartung, außer die mich glücklich zu machen.
Ja gibt es denn sowas noch? Ein Gegenüber, dass einen liebt so wie man ist? Ein Gegenüber, dass einem sagt wie schön man ist und das auch noch so meint?
Ja. Gibt es.
Ich erfahre das jeden Tag und viele Nächte :-) am eigenen Leib.
Wie wunderbar und einzigartig. Was für ein großes Geschenk.
Aber was bereitet mir den Stress?
Der Stress fängt beim Gefühl an. Das Gefühl halten zu wollen, halten zu können.

Aber kann man Gefühle halten? Aushalten? Festhalten? Erhalten?

Na, das "Gefühl aushalten" ist keine einfache Sache. Für mich auf jeden Fall. Ein Gefühl aushalten, heißt es wahrnehmen, es sich anschauen, es so annehmen wie es ist. Ohne dabei großartig Tamm Tamm zu machen.
Und da bin ich nun am Punkt. Das Tamm Tamm gehört zu mir, wie der Eifelturm zu Paris, wie das Riesenrad auf die Wiesn und wie die Isar nach München.

Ich bin eine Tamm Tamm Macherin.

Wenn ich zum Beispiel wenig geschlafen habe und am nächsten Tag müde bin, dann bin ich nicht nur einfach müde, weil mich mein Kopfkissen zu wenig gesehen hat, sondern meine Haut ist dann "dünn", ich falle in schwarzgetränkte Tiefen und mein Leben nimmt einen dunklen Verlauf aus den ganzen dramatischen Gefühlen heraus, die sich in meinem schlafentzug geschädigten Herzen ihren Liegestuhl aufschlagen um dann genüsslich ihren Cocktail zu schlürfen und deren sentimentales und verzweifeltes DAsein feiern.

Aber wo hab ich diesen Blog eigentlich angefangen? Mit was? Ah ja mit meiner Verletzung am Mund. Und schon wieder. Die "Verletzung" ist eine ganz normale dicke (sehr dicke) Blase gewesen. Sie tat weh. Ja! Aber! Ohne Tamm Tamm wäre es ein ganz banaler großer Herpes gewesen. Aber mit Tamm Tamm habe ich mir doch glatt überlegt mich krank schreiben zu lassen um meine geschundene Lippenhälfte zu beweinen.
Ich habe mich nicht krank schreiben lassen. Nach 12 Jahren Therapie lasse ich mich nicht mehr wegen eines Herpes krank schreiben.
Ich stehe dazu, zu ihm. Pflaster drüber und gut.

Wirlich gut?

Wäre der Herpes mein tobender Anspruch an mich selbst, dann würde so ein beschissenes Pflaster garnichts helfen. Genauso wenig wie meine eigenen guten Ratschläge für mich selbst.

Das einzigst was hilft ist dem Anspruch die Hand zu geben, ihn zu begrüßen und ihn einfach so zu nehmen wie er ist. ANSPUCHSVOLL. Und scheiß ANSTRENGEND.

Die wahren Veränderungen geschehnen ohne sich bemerkbar zu machen. Wenn ich mich annehme, aushalte, festhalte und erhalte so wie ich bin, verändere ich mich.

Klingt komisch, ist aber so. Und, sieht gefährlich aus, ist es aber nicht.