Montag, 1. September 2014

Das bisschen Herz

Wieviel Schmerz kann ein Herz ertragen? Und wie wird es wieder heil? Ich habe vor Jahren in einem Stück von Sonja Ganzenmüller eine wunderbare Rolle gespielt. Ich war die Liebe. Am Anfang des Stückes sah man mich, also die Liebe, auf einer Parkbank sitzend einen Abschiedsbrief zitieren: "...wenn Du gehst bleibt nichts. Dein Bild an der Wand, mein kleines Herz zurück in meiner Hand. ICH SCHLAG ES TOT. Wenn Du gehst bleibt nichts und ich bin traurig." Vor jeder Vorstellung hatte ich sehr Angst diese paar Sätze "richtig" zu sprechen. Ich wollte ihnen genügen. Bei aller Dramatik doch einfach und ehrlich sein. "Wenn Du gehst bleibt nichts." Ist das wirklich so? Dass wenn der andere geht, nichts mehr bleibt? Nach dem Sturm die erdrückende Ruhe. Wenn Du gehst bleibt nichts. Meistens bleiben Verletzungen. Auf beiden Seiten. Wieviel Schmerz kann ein Herz ertragen? Das frage ich mich immer wieder. Wieviel Abwertung, Erniedrigung und Schläge? (Also heute hab ich ja wieder ein super Thema worüber ich schreibe. Gebrochene Herzen, Schmerz, Kampf... man könnte meinen ich wäre depressiv, melancholisch total am Ende, vom Leben verlassen und extrem unlustig. Aber das alles trifft überhaupt nicht zu. Im MOment geht es mir so gut wie schon lange nicht mehr. Vielleicht beschäftigen sich meine Gedanken gerade deshalb mit diesem schweren Thema.) Die Zeit des Heilens kann beginnen, sobald der Geist Abstand vom Schmerz genommen hat. Ich wache seit einer Woche jeden Morgen um 8h auf und verfalle in Selbstgespräche. Schmerzhafte Situationen kommen daher und möchten "verarbeitet" werden. (die machen nicht mal im Urlaub ne Pause.) Vor meinem inneren Auge tauchen bereits gesprochene Dialoge auf. Alles will noch einmal durchgesprochen und durchgedacht werden. Empfunden und analysiert. Die Trauer wechselt sich mit der Empörung ab. "Wie konnte er oder sie nur so etwas sagen? Mich so verletzen?" Mit etwas Abstand (und nach einigen Sitzungen bei meiner Sofatante) bin ich zu der gefühlten Erkenntnis gekommen, dass die wenigsten Verletzungen, die uns entgegen geschleudert werden auch tatsächlich etwas mit uns selbst zu tun haben. Meint das Gegenüber wirklich mich, oder redet es in einer "Du" bezogenen Form doch nur von sich selbst? Wenn wir einander besser zuhören würden, dann glaube ich, würden weniger Beziehungen geschlossen, aber auch weniger BEziehungen getrennt werden. Dem anderen zuhören, das Gesagte aufnehmen ohen gleich den eigenen TEil in den anderen zu legen ist zwar sehr schwer (I know!) aber unumgänglich im wahrhaftigen Kontakt mit meinem Gegenüber. Wer bin ich? Wer ist der oder die andere? Vor kurzem hat mir jemand gesagt, wir würden eine bestimmte Form der Beziehung führen. Die bestimmte Form war sehr negativ. Mich hat das natürlich verletzt. Aber bei längerer Betrachtung muss ich sagen, dass diese Behauptung nichts mit meiner Empfindung für diese Beziehung zu tun hat oder hatte. Ich denke mein Gegenüber hat (wahrscheinlich unbewusst) von sich selbst gesprochen. Denn wie können wir denn ahnen was der andere fühlt oder denkt wenn wir ihn nicht fragen und wirklich zuhören? Wenn wir uns selbst nicht über unsere Gefühle im Klaren sind wie können wir dann behaupten oder denken, über die Gefühle des anderen Bescheid zu wissen? Mir hilft diese Erkenntnis, die eine oder andere Wunde zu schließen. Mir hilft diese Erkenntnis sehr noch mehr Abstand zum Anderen zu nehmen. Im positiven Sinne. Einen Schritt zurücktreten um das ganze Bild vor mir zu sehen und mich auch als Ganzes zu zeigen. Diese Vorstellung gefällt mir. Sie lässt mir genügend Luft zum atmen, zum denken und fühlen. Sie gibt mir die Freiheit ohne Panik, Angst und ABhängikeit zu fühlen. Das eigene Herz bedarf es dann nicht durch einen Panzer zu schützen. Wieviel SChmerz kann ein Herz ertragen? Gelingt es uns, das eigene Herz in ein selbstbestimmtes und differnziertes SEIN ein zu betten, hält es, so glaube ich, fast jeder Verletzung Stand.