Samstag, 22. Mai 2010

Trennung ohne doppelten Boden

Trennungen.
Die habe ich im Laufe meines Lebens immer wieder mitgemacht. (Der Zahn der Zeit nagt leider auch an mir).
Aber dieses Mal fühlt es sich wie das aller erste Mal an.
Den Schmerz meine ich nicht. Der ist nicht größer oder kleiner als bei den anderen Malen.
Nur irgendetwas ist dieses Mal anders.
Wie war das sonst immer?
Getrennt. Sofort Affäre gehabt. Noch eine Affäre gehabt. Und manchmal noch eine. Dann neue Beziehung. Alles auf Anfang, alles wieder von vorne.
Und dieses Mal?
Ich bin getrennt, habe keine Affäre (denke nicht mal dran) und strebe für den Moment (und ich denke der Moment wird etwas länger dauern) auch keine nächste Beziehung an.
Außer die Beziehung zu mir selbst.
Die üblichen Vorgehensweisen nach einer Trennung lasse ich außer Acht. Auch habe ich nicht die Absicht wieder durchs Hintertürchen mit meinem Ex Kontakt aufzunehmen.

Nein, der ist der letzte den ich jetzt sehen möchte.

Manchmal war es praktisch die anderen ehemaligen Verflossenen wieder zu aktivieren, damit sie einem die Wunden lecken und die Bestätigung geben, dass man selbst ja ganz großartig ist und der andere ein Vollidiot, geisteskrank und beziehungsunfähig.
Das war immer eine recht passable Absicherung in der Trennung, der doppelte Boden sozusagen.
Dieses Mal brauche ich keinen doppelten Boden.
Dieses Mal befinde ich mich im freien Fall. Ich blicke den Fratzen ins Gesicht.
Wenn ich Morgens aufwache gilt mein erster Gedanke meinen Ex, wenn ich Abends ins Bett gehe ist mein letzter Gedanke an ihn. Das wird wohl auch noch eine Weile so sein. Ich wehre mich dagegen nicht.
Jedes wegschieben, jedes verdrängen würde die ganze Sache unnötig verzögern. Ich versuche alles zu verarbeiten. Das fällt mir nicht so schwer wie ich dachte. Obwohl es eine große Disziplin verlangt, Vergangenes weder schöner zu machen wie es war, noch es schlimmer zu machen. Den Tatsachen ins Auge blicken.

Es hat nicht geklappt mit uns und das ist sehr schade. Die Hoffnung war sehr groß, aber Hoffnung ist keine Kontrolle.

In dieser Zeit bin ich mir so nahe wie schon sehr lange nicht mehr. Ich entziehe mich nicht der Verantwortung. Ich trenne mich das erste Mal wirklich. Ich suche keine Entschuldigungen, keine Hintertürchen. Ich suche keinen Ersatz. Für sich selbst kann man auch keinen Ersatz finden. Jeder der das schon einmal versucht hat, wird mir bestätigen, dass dies ein hoffnungsloses Begehren ist.
Meine Wunden verarzte ich mir selbst.
Ich stehe jeden Tag mit dem Wissen auf, dass mein Weg der richtige ist. Schritt für Schritt werde ich stärker, klarer und bereitwilliger meine Dämonen zu zähmen. Es ist der freie Fall, der mich begreifen lässt, dass nichts umsonst ist. Ich löse mich vom Druck der Vergangenheit und verweile in der Gegenwart.

Ich sehe was ist. Und ich schätze was ist.

Beschenkt mit den besten Freunden der Welt ist mein freier Fall eine sichere Angelegenheit. Mein Netz das mich auffängt sind Menschen, die mich mit grenzenlosem Vertrauen, klarem und wachen Verstand auf meinem Weg begleiten.

Mein Netz, das bin ich. So wie ich bin, wie ich war und wie ich sein werde.

Freitag, 21. Mai 2010

Der Hai und das Mäuschen

Schreiben ist für mich eine wunderbare Art und Weise meinen Gefühlen und Empfindungen freien Lauf zu geben. Oder wie meine liebe Kollegin immer sagt "vom Dreck raus schreiben". Nein so dramatisch ist es nicht. Ich befinde mich nicht im Dreck, nicht mal annähernd. Eher auf einer spannenden Reise, auf einer Reise zum Mittelpunk von mir selbst.

Vor kurzem ist eine Freundin aus dem Urlaub zurück gekommen. Ihr Geschenk an mich war eine Kette mit einem Haifischzahn als Anhänger. "Zum durchbeissen" wie sie meinte.
Verblüfft sah ich sie an: "Aber du weißt doch noch garnichts von meiner Trennung".

"Richtig", erwiderte sie, "den Haifischzahn habe ich Dir zum durchbeißen für deine Beziehung mitgebracht. Hätte ich gewußt,dass du endlich getrennt bist, wäre mein Geschenk eine Flasche Champanger gewesen."

Ich war sprachlos.

"Um ganz ehrlich zu sein", meinte sie trocken "bin ich total erleichtert, dass du diesen beziehungsgestörten Trottel endlich los bist. Das Mäuschen spielen ist nichts für dich. Lass ihn einfach weiterziehen er wird schon irgendeine veralterte Heckflosse finden an die er sich wieder hängen kann." Mit einem Nicken bekräftigte sie ihre Aussage, ging dann in die Küche und holte zwei kleine Gläser Jägermeister zum anstoßen.

Als ich nach Hause ging musste ich immer wieder über ihre Worte nachdenken. Ein Haifischzahn zum durchbeissen.
War es so offensichtlich gewesen wieviel mir diese Beziehung abverlangt hatte?

Natürlich Menschen, die ausserhalb eines Kreises stehen, sehen die Form aus einer anderen Perspektive, genauer und besser. Aber dass ich als Kreisinhalt zum Mäuschen mutiert war? Ich? Das konnte doch nicht sein!
Zu Hause rief ich sie an um zu fragen wie sie meine Beziehung denn erlebt habe? (Ich glaube so etwas würde ein Mann NIEMALS machen, Männer gehen ein, zwei Bier trinken, reden übers Wetter oder die Arbeit und erwähnen dann kurz vor Ende so nebenbei, dass sie nun getrennt sind.)

"Liebes" sagte meine Freundin "Weder ich noch die anderen Mädels haben es je verstanden warum du das alles so lange mitgemacht hast. Das geht nicht gegen deinen Ex persönlich, zu uns war er immer sehr freundlich, aber als dein Freund, war er absolut indiskutabel. Wir hätten es Dir von Herzen gewünscht. Aber spätestens nach der Mail an seine Ex wo er ihr geschrieben hat wie wunderschön sie doch immer noch ist, war klar, dass er garnicht begreift, geschweige denn schätzt wen er da neben sich hat. Und seine Überheblichkeit hat das ganze auch nicht besser gemacht."

Gekränkt gab ich zu verstehen, dass es ja nicht immer so schlimm war, dass es ja auch Zeiten gab an denen es zu funktionieren schien.

"Süße, natürlich sah es immer wieder danach aus, dass er es endlich kapiert habe. Er stand Dir auch in schwierigen Zeiten oft zur Seite, aber eben nur zur Seite. Wann hat er Dich denn mal in die Arme genommen? Oder sich von Dir in die Arme nehmen lassen?"

Da hatte sie leider recht, meistens wenn ich meinen Ex umarmte hatte ich das Gefühl einen nassen Sack zu halten.
Es ist doch eigentlich was schönes von einem geliebten Menschen umarmt zu werden. Aber bei ihm hatte ich immer dass Gefühl einen zu Tode erschreckten Hasen in der Hand zu halten, der einfach nur abwartet bis es endlich vorbei ist.

Meine Freundin fuhr fort. "Keine weiß so gut wie ich, dass du eine Frau mit einem sehr turbulenten Leben bist und ja, Du warst mit vielem beschäftigt. Jeder versteht, dass der andere sich dann ab und zu mal ausklingt, aber er hat sich nicht ausgeklingt, er hat dich am langen Arm verhungern lassen und wenn Du Dich dann beschwert hast, Dich gnadenlos niederargumentiert in dem er deinen Therapeuten gespielt hat. Du hättest aber keinen Sofaonkel gebraucht, sondern einen Freund! Nur leider schien er überhaupt keine Ahnung davon zu haben was es heißt ein Freund zu sein. Auch wenn es sich hart anhört, aber ich bin froh, dass es vorbei ist, weil jetzt die Möglichkeit besteht, dass du endlich wieder du bist. Und ich hoffe wirklich von Herzen, dass Dir so eine Geschichte nie wieder passieren wird."

Es traf mich wie eine Faust. Ich hatte die Zeit über nicht mitbekommen, oder anders gesagt mir war garnicht klar gewesen, wie sehr meine Freunde mit mir gelitten hatten.

Ein Haifischzahn zum durchbeissen.

Ich trage die Kette meiner Freundin nun täglich um den Hals. Der Zahn ist sicher eingeklemmt zwischen meinen beiden Brüsten :-).
Wenn ich anfange an mir und meinen Entscheidungen zu zweifeln nehme ich den Zahn in die Hand und denke an ihre Worte. "Zum durchbeissen für deine Beziehung".

...das möchte ich nie wieder.

Donnerstag, 20. Mai 2010

Er oder ich

Ich hab getanzt heut Nacht, die ganze Nacht, heut Nacht...

Na ja es war nicht so ganz wie bei My Fair Lady. Ich habe nicht die ganze Nacht getanzt, sondern nur die gestrigen Abendstunden. Nicht mit wallenden Abendkleid wie Audrey, sondern im traditonellen Kostüm von 1805 und getanzt wurde auch nicht im Baalsaal eines englischen Schloßes, sondern im Erkerzimmer des Hofbräuhauses.

Unglaublich, aber wahr, ich hatte schon lange nicht mehr soviel Spaß. Mit einem Mann rechts, dem anderen links wurde ich von einer Seite zur anderen geführt, geleitet, getragen. Großartig! So könnte es immer sein.
War es aber leider nicht. Also nicht immer. Manchmal schon. Aber trotzdem unterm Strich viel zu wenig.
Nicht, dass ich geführt werden müsste. Ich weiß schon wo mein Weg hingehen soll (mittler Weile sogar wieder sehr gut). Geleitet muss ich auch nicht sehr oft werden (vielleicht mal nach einer Proseccoreichen Nacht), aber getragen..., das werde ich schon recht gern. Wurde ich auch.

Er hat es manchmal versucht, aber ich bin entweder zu schnell, zu schwer geworden, oder er war einfach zu schwach, oder hatte er einfach keinen Bock, oder hab ich ihm nicht die Gelegenheit dazu gegeben? Diese Art von Fragen könnte man (oder besser Frau) sich ewig stellen. Auf eine klare, eindeutige Antwort bin ich nicht gestoßen.
Lag es nun an mir oder an ihm?

Im Laufe meiner vergangenen Beziehung sind mir einige Dinge widerfahren, die mich sehr beeindruckt haben. Oft leider im Negativen.
Darauf angesprochen wurde ich sehr schnell in meine Schranken verwiesen. Ich sehe das alles völlig falsch, würde Dinge unterstellen, die so nicht zutreffen und mein Gegenüber permanten unter Druck setzen und in die Ecke drängen. (Ich persönlich glaube ja, dass mein damaliges Gegenüber die ganze Zeit bereits schon in der Ecke stand, wie hätte ich ihn da dann rein drängen sollen?)

Die eigene Wahrnehmung, das ist ein verflixtes Ding. An meiner eigenen Wahrnehmung habe ich mir schon einige Male die Zähne ausgebissen. Besonders immer dann wenn ich von ihr abgekommen bin, was heißt, dass ich ihr nicht vertraut habe.

Dabei lag so vieles auf der Hand.

Derjenige der schubst ist der Arsch, nicht derjenige der geschubst wird. Aber warum fühlt der Geschubste sich dann sooft schuldig?

"Hey, sorry Du, dass ich dir so blöd im Weg stand, dass du mich aus den Weg schubsen musstes. Sorry! Tut mir wirklich wahnsinnig leid."

Genauso und nicht anders lief es immer wieder ab.
Oft ist das für beide Parteien das Einfachste. Für die eine, weil sie nicht zu geben muss, dass ein gewalt bereites (ob physischer oder psychischer Natur) Handeln einfach das allerletzte ist. Und für die andere, weil sie weiter ihre Augen verschließen kann. Denn würde sie das nicht tun, müsste sie sich selbst eingestehen, dass sie schlecht behandelt wird, oder sich schlecht behandeln lässt und um das zu ändern müssten die Sachen auf den Tisch gebracht werden.

Gesehen. Geklärt. Geändert.

Aber was ist wenn diese Änderung nicht eintritt? Was wäre die letzte Konsequenz? Wenn die zahllosen Diskussionen nichts bringen?
Ja, das wäre dann wohl die böse, finstere TRENNUNG!

Und das will ja keiner, getrennt sein.
Aber ist man denn nicht eh schon ab dem Zeitpunkt getrennt, an dem man aufhört auf seine Wahrnehmung und Gefühle zu hören?

Abgeschnitten, getrennt von sich selbst.

Ich stelle mir das mal bildlich vor. 80% der Bevölkerung rennt mit abgetrennten Gliedmaßen rum...
Aber Spaß bei Seite wann fängt denn eine Trennung an? Wirklich erst dann wenn der eine sagt, dass er nicht mehr möchte? Oder doch vielleicht schon viel früher? Dann wenn ich mich von dem trenne was ich wirklich sehe und wahrnehme?
Bin ich dann noch ich?
Wenn das passiert, dann habe ich auch keine Motivation zu gehen.
ok. jetzt verstehe ich langsam warum ich solange geblieben bin.

Weil Unklarheit verbindet.

Immer auf der Suche nach Wahrheit und Wirklichkeit,abhängig von der Klärungsbereitschaft meines Gegenübers verrennen wir uns immer weiter in die falsche Richtung.
Nur wenn Dinge klar sind können wir gehen oder mit dem ganzen Herzen bleiben.
Aber bedarf es dazu wirklich immer den anderen?
Oder würde es nicht einfach reichen bei sich zu bleiben und auf sich zu vertrauen?
Du meine Güte, wenn das nur so einfach wäre...

Dienstag, 18. Mai 2010

vier Uhr früh

Frisch getrennt sein heißt:

-alle seine Mails löschen
-alle seine Nummern löschen
-alles was Dich an ihn erinnert entfernen (wenn nötig wegschmeißen)
-nicht an ihn denken
-nur an Dich denken

Wenn das mit dem wegdenken nicht so gut funktioniert rate ich zu Meditation, Wohnung umräumen, ausgehen, Yogakurs besuchen und Extremshoppen. Ein neues Kleid ist wie eine zweite Haut, wärmt Dich, hat dich lieb und wird Dich (sofern Du Dir nicht 19 Kilo aneignest) niemals verlassen.

Ich bin seit 10 Tagen getrennt. In dieser Zeit so aktiv wie ich es in 1 1/2 Jahren Beziehung nicht war. Meine Bremse ist weg, meine Kupplung auch. Es gibt nur noch das Gas. Sehr cool!

Tags über habe ich eine gute Zeit, erfüllt mit mir. Auch das einschlafen - kein Problem. Aber pünktlich um vier Uhr früh (unglaublich, ich könnte den Wecker danach stellen) zieht es an meiner Bettdecke. Ja "es", eine genaue Zuordnung dessen, war mir bis letzte Nacht noch nicht möglich. Eine Mischung aus Druck und Schmerz, konzentriert auf meiner Brust. (Na ja was will man nach 10 Tagen Trennung auch erwarten.)
"HAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAALLO!!!! Hier bin ich wieder!" jammerte es neben mir. "Los Kümmere Dich um mich! Am Tag ist genug Platz für Dein neues Leben, aber mich gibt es auch noch."

Ach herrje schon wieder, dieses Gefühl der Ohnmacht, dieses grabende Schwarze Loch, zappelnd vor meinem Bett.
Es sieht aus wie ein kleines, schwarzes Männchen (erinnert mich irgendwie an meinen Verflossenen, aber das mal nur so am Rand.) Ich glaube das Männlein fühlt sich vernachlässigt. Irritiert musste er sich setzen. Von der ganzen Meditiererei sei ihm schon ganz schwindelig und manchmal wisse er auch gar nicht mehr warum er eigentlich hier sei.

"Ach ja darf ich mich übrigens vorstellen, ich bin die Angst und der Schmerz der Verlassenen, hallo, wir kennen uns ja schon."
Das kleine Männchen sprang auf um mir die Hand zu schütteln. Wieder ein schneller Blick zur Seite. "Also warum bin ich gleich noch mal hier?"

"Du bist hier, weil ich frisch getrennt bin und dadurch sehr traurig."

"Ach das tut mir aber leid. War es denn eine schöne Beziehung?"

"Nein das war es um ehrlich zu sein nicht. Sie war anstrengend und mit viel Leid verbunden." Zerknirscht sah ich zur Seite. Auch mein kleines, schwarzes Gegenüber rückte unbehaglich seinen Hut zurecht.
"Aber dann verstehe ich ja noch viel weniger warum ich hier bin. Du müsstest doch froh sein und nicht traurig? Und wenn traurig, warum? An dem Mann alleine kann es ja nicht liegen."

Das war eine gute Frage, die ich mir so noch nicht gestellt hatte. Warum war ich denn wirklich traurig? Klar, das Ego ist verletzt, wenn man zu hören bekommt, dass der andere die Beziehung nicht mehr möchte. Wobei, wenn ich ehrlich bin, ich am Ende auch nicht mehr viel getan hatte um "im Spiel" zu bleiben. Ich wollte raus, aber ich wollte die Drecksarbeit nicht machen. Die Zeit über hatte ich mich permanent überanstrengt, diese letzte Arbeit wollte ich nicht mehr tun. Das sollte nun er machen. Das war eine Seite des ganzen. Aber...
Mutig setzte ich zu einer Antwort an.

"Ich glaube, dass ich traurig bin, weil ich es mir so sehr gewünscht hatte, zu zweit zu sein. Und es gab Momente, da schien es auch möglich."
Nur leider reichen eben keine Momente um dauerhaft verbunden zu sein. Da muss es schon noch mehr geben. Viel mehr.

Fragend schaute mich die Angst der Verlassenen an. Ich fuhr fort.

"Mein Leben mit mir war gut. Ich dachte nur zu zweit könnte es noch besser werden. Dann bin ich irgendwann mal falsch abgebogen. Hab die Schilder nicht gesehen und bin über rot gefahren."

"Blöd" hüstelte der kleine Schwarze.

"Ja richtig blöd" bestätigte ich ihm.

"UND? Das ist doch noch nicht alles. Wegen eines verletzten Ego´s stehe ich nicht extra um vier Uhr früh auf, da muss schon noch mehr los sein."

Natürlich war da noch mehr. Das wusste ich auch, nur das Hinschauen, das fiel mir wirklich schwer. Sollte ich? Ach wenn nur dieser nervige kleine schwarze Zwerg nicht neben mir gewesen wäre, dann hätte ich wunderbar weiter schlafen können und von schönen Männern im Sonnenuntergang träumen können. (Äh Moment, falscher Film, falscher Blog, darüber schreibe ich mehr auf Malibuboys.bolgspot.com)
Nun gut, was war da noch. Jetzt wurde es ernst, das merkten wir beide.

"Was mich wirklich traurig macht, ist zu sehen, wie ich selbst in dieser Beziehung mit mir umgegangen bin. Verletzen und verletzen lassen. Schlagen und schlage lassen. Zu viel war passiert in dieser Zeit. Zu wenig hatte ich auf mich und meine Bedürfnisse gehört. Kompromisse hatte ich geschlossen, die faul waren, von Anfang bis Ende. Dinge hatte ich mir antun lassen, für die es weder eine Entschuldigung noch eine Erklärung gab. Ich hatte ihm keine Grenzen gezeigt. Ich war komplett im Unklaren und hatte mich dadurch verraten. Ja, ich glaube, das ist es was mich wirklich traurig macht. Mein eigenes Versagen für mich selbst da zu sein, mich selbst zu schützen und für mich selbst einzutreten, für mich zu sorgen."

Der kleine kratzte sich am Kopf. "Ach das kann ich verstehen, und wenn ich nicht eh schon die Trauer der Verlassenen wäre, dann wäre ich jetzt mit Sicherheit sehr traurig."

Betrübt saßen wir eine Weile da. Dann kam ihm eine weitere Frage.
"Aber meine gute Freundin (laut Vorschrift dürfen wir nicht befreundet sein, aber wer beachtet in der Dramatik schon die Vorschriften)also, meine gute Freundin die Freude, die empfindest du doch auch, warum?"

Da musste ich nicht so lange mit mir kämpfen um ihm eine Antwort zu geben.
"Weil ich auf dem Weg zurück zu mir bin. Weil ich mich wieder spüre. Weil die Krise mich kreativ macht. Weil mich Bosheiten, die aus seiner Richtung kommen (sie sieht blond und schon recht faltig aus) zwar im ersten Moment verletzen, aber nach kurzem Innehalten und mit einem klaren Blick betrachtend, einfach weiter gehen lassen. Denn es ist nicht mehr wichtig. Es ändert nichts an meiner Situation.Die Freude ist wieder da, weil ich wieder Anfange zu leben."

"Das ist gut. Wirklich gut." meinte der kleine Schwarze.
Ich war mir nicht ganz sicher, aber ich hätte schwören können bei ihm so etwas wie ein lächeln zu entdecken. Aber das konnte ja eigentlich nicht sein.

"Die liebe Freude scheint ihre Arbeit sehr gut zu machen. Gott sei Dank nicht bei allen, sonst hätte ich ja nichts mehr zu tun."
Müde sah er auf seine Uhr. "So nun ist es wieder Zeit zu gehen. Ein anderer Mensch wartet schon auf mich. Wenn das in meinem Berufsstand nicht vollkommen unmöglich wäre, dann würde ich dir jetzt sagen, dass ich mich auf unser nächstes Treffen schon richtig freue."
Kurz zwinkerte er mich noch an und verschwand dann in der Dunkelheit. Zurück blieb ich. Mit mir. Müde und sehr erleichtert.

Fussball

Getrennt. Vorbei für immer und ewig. Aber wann ist das passiert? Wann wurde getrennt und warum?
Das warum ist fast noch schlimmer, als das getrennt sein. Mit klarem Blick und Verstand kann man sich alles erklären, aber was ist mit dem Herzen? Das einfach nicht verstehen will. Was am schlimmsten ist, ist die Hoffnung, dass er wieder zurück kommt. Vor dir steht. Dich anschaut und dich bittet ihn wieder zurück zu nehmen. Das es ein großer Fehler war und dass es nichts mit Dir zu tun hatte. Dass ihm alles zu viel wurde und er das Einfachste ausradiert hat. Oder es auszuradieren versuchte, denn der Abdruck des Stiftes ist immer noch zu sehen. Zu sehen ist, was er aufgegeben hat.

Das ist eine Geschichte von einem gebrochenen Herzen. Von meinem gebrochenen Herzen.
Wie bei den meisten fing alles ganz groß an. Ja, ganz groß war meine Abscheu vor dem der vor mir stand (groß die Abscheu, klein der Mann) und sich mich ausgesucht hat. Ich wollte ihn nicht. Ich wollte meine Ruhe in der Welt die ich mir geschaffen hatte. Eine gute Welt. Natürlich mit Problemen, natürlich mit dem Wunsch der Zweisamkeit, aber als er dann vor mir stand und mich kennenlernen wollte, da hat mich die Angst gepackt. Von hinten.
Nö ich will nicht. Ich will dich nicht kennen lernen und vor allen Dingen will ich keinen an mich ran lassen, der vorgibt mich wirklich kennenlernen zu wollen.
Und da fing es schon an. Mein Misstrauen, das mich die Zeit über begleiten sollte. Aber der kleine Mann ganz groß in seiner Hartnäckigkeit.
Seine Beharrlichkeit hat mich verwundert. Aus dem Konzept gebracht. Aber keine Panik alles noch nicht so schlimm, alles noch nicht so gefährlich.
Die Zeit verging. Er immer am Ball. Wenn er nur später auch ein so engagierter Spieler gewesen wäre. Oft war ich dann alleine auf dem Spielfeld. Hab Kopfbälle gehalten, Tore geschossen und Gegenspieler verunsichert. Nur wo war er? Ah, am Spielfeldrand. Kein Problem, er winkt mir zu. Zeigt auf die Sonne und lächelt.
Alles gut, ich spiele weiter.Er lächelt.
Bis ich dann verletzt auf der Bank saß und ihn bat, bitte für mich, oder besser gesagt für uns weiter zu spielen. Teamwork, oder?
Ich glaube, er hat es auch versucht. Er hat versucht sein bestes zu geben. Ich glaube, es war ihm nur nicht so ganz klar für was? Er saß einfach lieber auf der Bank. Auch gerne mal neben mir. Aber auf dem Spielfeld? In welche Richtung ging es nochmal? Wo soll ich denn hinlaufen? Wo ist das Tor? Natürlich hab ich, fleißig wie ich bin ihm kleine Täfelchen vom Rand hoch gehalten. Hier! Hier! Siehst Du? Nein, nicht die andere Richtung! Da vorne ist das Tor! Sag mal bist du blind? Kann doch nicht sein. Ist mir ja noch garnicht aufgefallen. Oder hast Du es mir einfach nicht gesagt, oder weißt du es am Ende selber nicht?
Na egal, Tore müssen geschossen werden. Lass mich mal ich mach das schon.
Und dann war er weg. Das Trikot war nicht mal ein bisschen verschwitzt. Meines zerrissen und verdreckt. Er lächelte.

Ich hätte es ahnen müssen, dass er blind ist und es nicht weiß. Ich hätte von Anfang an sagen müssen, dass ich nicht alleine spielen möchte, weil alleine spielen einfach doof ist.
Hab ich nicht, oder hat er es einfach nicht gehört?
Wenn ich nur wüßte wann es angefangen hat.

Das erste Mal ihn wirklich "gesehen" war nach dem Morgen, als er mich bat von mir zu erzählen. Als er mich einlud, die andere Seite der Medaille zu zeigen.
Ich war angekommen, für einen kurzen Moment. Und er schon auf der Flucht.
Oder war ich auf der Flucht? Na auf jeden Fall war er nicht angekommen. Da bin ich mir eigentlich ganz sicher, denn wo hätte er denn ankommen sollen, als Blinder ohne Stock und ohne Binde. Blöd nur, dass ich es nicht bemerkt hatte. War ich zu eitel? War am Ende, und das wäre wirklich unsagbar, war ich am Ende auch noch blind, und ich selbst hätte es auch nicht bemerkt?
Kann doch nicht sein. Aber warum hab ich mich denn dann überall angehauen, warum bin ich manchen Steinen nicht einfach aus dem Weg gegangen? Er hatte mir nicht so viele Steine vor die Füße geworfen über die ich gefallen bin. Waren es vielleicht meine eigenen kleinen und mit der Zeit immer größer werdenden Hindernisse, die mich immer wieder fallen und straucheln ließen? Er hat mir immer wieder aufgeholfen. Als Blinder, und im Laufe der Zeit war ich mir dann ziemlich sicher dass er blind sein musste, immer etwas unbeholfen.
Ich streckte ihm die Hand entgegen, er zog mich an den Haaren hoch, ich dann wütent weil er mich verletzt hatte, er sauer, weil er mir doch aufhelfen wollte. Ich glaube er fiel auch immer wieder hin, einige wenige Mal hatte ich es bemerkt. Ich wollte ihn auch aufhelfen. Teamwork, oder? Aber er hat meine Hand leider nicht gefunden und für mich waren seine Haare leider zu kurz, ich rutschte immer wieder ab. Zurück er am Boden, traurig. Sie konnte mir nicht aufhelfen. Zurück ich über ihm, frustriert, warum hat er meine Hand nicht gefunden? Und warum in Gottes (auch wenn der hier jetzt nichts verloren hat) aber warum in Gottes Namen hat er so kurze Haare?
Er ließ die Haare wachsen.
Immer öfter konnte ich ihn daran hoch ziehen, aber weh tat es ihm immer. Mir auch, ich streckte ihm immer bevor ich die Haare nahm, die Hand entgegen, im Laufe der Zeit auch beide Hände. Aber er hat sie nie gefunden. Klar, wie sollen zwei Blinde auch einander finden. Und wo wollen zwei Blinde eigentlich gemeinsam hin?

Ins Licht.

Immer nur ins Licht. Denn da ist alles gut. Da hält man sich bereits schon vor dem Fall an den Händen. Da rollt man die eigenen oder die Steine des anderen gemeinsam aus dem Weg.
Ja da wollten beide hin. Beide auf unterschiedlichen Weisen. Beide etwas tollpatschig und beide mit letzter Kraft.

Das Licht ist aus, wir gehen nach Haus. Hä? Aber ich hab doch gerade meine beiden Hände noch ausgestreckt. Keine Ahnung in welche Richtung... doch schon eine Ahnung.
Ins Licht.